U.S. Regierung überwacht Abtreibungsreise
Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, Roe v. Wade zu kippen, hat die medizinische Versorgung in den USA in ein chaotisches System verwandelt. In einigen Bundesstaaten ist der Zugang zu Abtreibungen erlaubt, während andere ihn stark einschränken oder sogar vollständig verbieten. Diese ungleiche Versorgung zwingt schwangere Personen dazu, Staatsgrenzen zu überschreiten, um die benötigte medizinische Hilfe zu erhalten. Doch ein neues System, das von der US-Regierung erworben wurde, könnte diese Möglichkeit erheblich erschweren.
Dieses System, bekannt als Locate X, verfolgt die Bewegungen von Individuen in den USA – und das ganz ohne lästige Durchsuchungsbefehle. Mit Zugriff auf eine Fülle von Daten, inklusive der besuchten Orte vor dem Klinikbesuch und wahrscheinlich sogar den Wohnadressen, deutet vieles darauf hin, dass es sich um eine massenhafte Datensammlung handelt. Ihr Smartphone könnte dabei durchaus erfasst werden.
404 Media hatte Gelegenheit, die Software in Aktion zu sehen. Eine Gruppe von Datenschutzbefürwortern, die Zugriff auf das Tool erhielt und Videos davon an 404 Media und andere Journalisten weiterleitete, zeigte auf eindringliche Weise, wie Locate X und ähnliche Werkzeuge, die auf Standortdaten von Smartphones basieren, eingesetzt werden können, um Patientinnen von Abtreibungskliniken zu überwachen. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass immer mehr Bundesstaaten strengere Regelungen oder gar Verboten gegen Abtreibungen diskutieren.
Besonders besorgniserregend ist die Entwicklung in Alabama, wo die Regierung plant, Personen strafrechtlich zu verfolgen, die anderen helfen, im Ausland eine Abtreibung vorzunehmen. Idaho und Tennessee haben bereits „Abtreibungsverkehr“-Gesetze verabschiedet, die jedoch von Gerichten blockiert wurden, während Städte in Texas verfassungswidrige Gesetze in Betracht ziehen, die es Menschen untersagen würden, öffentliche Straßen für Reisen zur Abtreibung zu nutzen. Letzten Monat reichte der Generalstaatsanwalt von Texas, Ken Paxton, Klage ein, um bundesstaatliche Datenschutzbestimmungen zu blockieren, die Ermittler daran hindern, auf die medizinischen Unterlagen von Personen zuzugreifen, die außerhalb des Bundesstaates abtreiben lassen.
Obwohl der Zugang zu Abtreibungen ein zentrales Anwendungsgebiet für Locate X ist, ist es nicht das einzige. 404 Media beobachtete Demos der Software, die Geschworene auf Parkplätzen von Gerichten identifizierte, Geräte in Gotteshäusern erfasste und sogar die Handys von Kindern in Schulen verfolgte – Locate X hat jederzeit Standortinformationen über jeden.
Wer zu einer Abtreibung zwischen den Bundesstaaten reist, sollte sein Smartphone unbedingt zu Hause lassen. Es ist derzeit legal, über Staatsgrenzen für medizinische Hilfe zu reisen, aber wie lange das so bleiben wird, ist ungewiss – der Schutz der Privatsphäre hat oberste Priorität. Hoffentlich wird niemand auch die Daten von Ihrem Auto anzapfen.